Als ich gestern die Messungen machte, schrieb ich bei jedem Sample die zugehörige Kessel Dampftemperatur und die Kopf Dampftemperatur auf.
Später fiel mir auf dass da was nicht passt.
Zuerst ein Beispiel. Bei Gläschen 4 hatte ich mit dem Refraktometer 92%vol gemessen.
Die Kessel Dampftemperatur die ich dabei notiert betrug 94,6°C, die Kopf Dampftemperatur 79,1°C.
Wenn ich die Temperaturen für den Druck von 978,75 hPa in %vol umrechne, erhalte ich 6,2%vol im Kessel und 86,2%vol im Kopf.
Im Kessel waren aber 7,7%vol, und das Sample hatte 92%vol.
Meine Thermometer hatte ich aber sauber mit Wasserdestillation kalibriert und eingestellt.
Nach einigem Grübeln und mit Hilfe unseres
Destillationsrechners sah ich dann dass der Druck bei den Temperatursensoren vom Umgebungsdruck abweichen musste.
Wenn ich in den Rechner die gemessene Destillatstärke von 92% eingebe, erhalte ich für 978,75 hPa eine Dampftemperatur von 78,1°C. Gemessen habe ich aber 79,1°C. Wenn ich jedoch den Druck im Rechner auf 1018 hPa stelle, dann stimmen meine gemessenen 79,1°C plötzlich. Beim Thermometer muss also ein Überdruck von 39,25 hPa geherrscht haben.
Wenn ich das mit dem Kessel mache und in den Rechner die bekannte Kesselkonzentration von 7,7%vol eingebe, zeigt er bei 978,75 hPa eine Dampftemperatur von 93,2°C an. Gemessen habe ich aber 94,6°C!
Gebe ich in den Rechner einen Druck von 1032hPa ein, zeigt er auch die gemessene Temperatur an.
Im Kessel hatte ich also einen Überdruck von 53,25 hPa.
Woher kommt der Druck? Am Liebigausgang der offen nach oben ragt, herrschen ja 978,75 hPa. Am Übergang vom Kopf zum Geistrohr jedoch 39,25 hPa mehr. Mein Liebig hat ein 15mm Innenrohr. Zum Kopf hin verbreitert sich das auf 35mm.
Da beim hochgestellten Liebig das zurücklaufende Destillat dem Dampfstrom entgegen rinnt, entsteht da offensichtlich ein merklicher Strömungswiderstand für den Dampf und dadurch Überdruck im Kopfteil.
Auf dem Weg zum Kessel befindet sich ja noch ein Schrubber und eine Handbreit Keramik Raschigringe.
Diese erzeugen auch einen Strömungswiderstand der alleine eine schon Druckerhöhung im Kessel von 14hPa bewirkt.
Da auf dem Weg vom Kessel nach draussen auch noch die Druckerhöhung durch den Liebig von 39,25hPa liegt, addieren sich beide Drücke zu Gesamtüberdruck von 53,25 hPa.
Ein Druckwiderstand im Liebig verfälscht also nicht nur die Messung der Kopftemperatur, er wirkt sich genauso auch auf die Messung der Kesseltemperatur aus.
Wenn dann noch eine Packung vorhanden ist, erhöht dies zusätzlich den Kesseldruck. Die Summe beider Drücke verfälscht also die Anzeige der Kesseltemperatur.
Was lernt man daraus? Ich habe zumindest gelernt dass eine Temperaturmessung ohne Angabe des zugehörigen Druckes nicht in Alkoholstärke umgerechnet werden kann.
Bei einer Potstill ohne Packung mit weitem Steig und Geistrohr und mit einem Kühler ohne Druckstau stimmt der Rechner.
Bei Kolonnen, egal welcher Bauart, kann man nicht von Temperatur auf %vol umrechnen ohne den Druck an der Messstelle zu kennen.
Wenn ich eine Destille mit 100% Reflux ohne Produktentnahme betreibe und vorher die Kesselkonzentration gemessen habe, kann ich aus der "falsch" mit dem Thermometer gemessenen und der theoretisch errechneten Temperatur wiederum den Kesseldruck errechnen.
Innerhalb von Kolonnen ist dies nur möglich wenn ich an der Position des Temperaturfühlers ein kleines Sample des Dampf/Destillat Gemisches abziehen könnte. Möglich ist das schon, aber aufwendig.
Die Druckmessung mittels U-förmigen Schlauch mit einer Wasserfüllung sehe ich als problematisch an. Aus der Kolonne drückt ja heisser Dampf heraus. Er bleibt aber nicht dampfförmig, sondern kondensiert im Schlauch. Ich vermute dass eine solche Messung einen zu kleinen Druck anzeigen würde.